Beitrag vom 07. November 2024

Graphic Novel zeigt Zukunftsvision lebenswerter und nachhaltiger Landkreise im Jahr 2070

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Graphic Novel und Zukunftsvision lebenswerter und nachhaltiger Landkreise im Jahr 2070 Kathleen Uebigau

Die Art und Weise, wie wir Land nutzen, hat weitreichende Folgen – für das Klima, die Artenvielfalt und unsere Ernährungssicherheit. Intensiv betriebene Landwirtschaft, Massentierhaltung, Monokulturen und der großflächige Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden belasten das Ökosystem und tragen erheblich zum Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bei. Ebenso verringern diese Praktiken die biologische Vielfalt und gefährden langfristig unsere Lebensgrundlagen. Aus diesen Gründen ist eine „Landwende“ erforderlich – ein tiefgreifender Wandel in der Art, wie wir unsere Landflächen bewirtschaften und gestalten.

Im April 2024 widmete sich die Zukunftswerkstatt „Landwende: Wie wollen wir leben?“ genau diesen Herausforderungen. An der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften in Halle (Saale), kamen 29 junge Erwachsene zusammen, um gemeinsam eine Vision für eine nachhaltige und gerechte Landnutzung zu entwickeln. Diese Vision, unterstützt von führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI), umfasst eine Zukunft, in der Landnutzung nicht nur ökologisch und ökonomisch, sondern auch sozial gerecht gestaltet wird.

Ein „Multilemma“ statt einem Trilemma

Die junge Generation brachte eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven in den Diskurs ein. Die Teilnehmenden – zwischen 18 und 27 Jahre alt und aus Bereichen wie Landwirtschaft, IT, Medizin, Sozialberufen und Forstwirtschaft – sahen das Spannungsfeld zwischen Biodiversität, Klimaschutz und Ernährungssouveränität als weit mehr als ein einfaches Trilemma. Schnell wurde deutlich, dass auch soziale Gerechtigkeit, demokratische Teilhabe und ethische Fragen in die Entscheidungen zur Landnutzung einbezogen werden müssen.

Der sogenannte „Visioningprozess“, der vom Fraunhofer ISI konzipiert und moderiert wurde, ermöglichte den Teilnehmenden, gemeinsam zu erkunden, wie eine nachhaltige Zukunft konkret aussehen könnte. Dabei erarbeiteten sie eine Vision für einen idealen Landkreis im Jahr 2070, der auf die Bedürfnisse künftiger Generationen eingeht und unsere planetaren Grenzen respektiert. Um die Vision umfassend und realistisch zu gestalten, unterstützten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Disziplinen wie Biodiversität, Klima, Ernährung, Ethik, Psychologie, Ökonomie, Recht und Politik den Prozess und brachten aktuelle Erkenntnisse und wissenschaftliches Fachwissen ein.

Vision 2070: Ein idealer Landkreis für Mensch und Natur

In der Vision der Zukunftswerkstatt spielt der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen eine zentrale Rolle. Die Landschaft wird multifunktional genutzt – ein Ansatz, der Landwirtschaft, Naturschutz und Erholung miteinander verknüpft. Landwirtschaftliche Flächen werden nach ökologischen Prinzipien bewirtschaftet und verzichten vollständig auf chemische Düngemittel und Pestizide. Stattdessen wird eine regenerative Landwirtschaft gefördert, die nicht nur Nahrungsmittel produziert, sondern auch Lebensräume für Tiere und Pflanzen bietet und den Boden langfristig gesund erhält.

Im Bereich der Forstwirtschaft sieht die Vision eine naturgemäße Waldbewirtschaftung vor. Hier wird der Wald nicht als reine Ressource zur Holzgewinnung betrachtet, sondern als ökologisches System, das Artenvielfalt schützt, Wasser speichert und dem Klima nützt. Eine zentrale Rolle spielt auch die Kreislaufwirtschaft: Abfallstoffe werden so weit wie möglich vermieden und wiederverwertet, sodass ein Großteil der Rohstoffe im lokalen Wirtschaftskreislauf verbleibt. Dies reduziert den Bedarf an neuen Ressourcen und mindert den CO₂-Ausstoß.

Bildung, Versorgung und soziales Miteinander

Ein nachhaltiger Landkreis der Zukunft zeichnet sich nicht nur durch einen schonenden Umgang mit der Natur, sondern auch durch ein gerechtes und integrierendes Gesellschaftsmodell aus. Die Vision 2070 sieht vor, dass Bildung nicht nur Wissen über Wirtschaft und Technologie, sondern auch über ökologische Zusammenhänge und nachhaltiges Leben vermittelt. Lokale Bildungsinitiativen und Schulen arbeiten eng mit der Gemeinde zusammen und schaffen Bewusstsein für die Auswirkungen des persönlichen Konsums und der eigenen Lebensweise.

In der Versorgung spielt die regionale Landwirtschaft eine Schlüsselrolle. Lokale Produzenten bieten frische, gesunde Nahrungsmittel an, die ohne lange Transportwege und auf umweltfreundliche Weise produziert werden. Eine transparente Kennzeichnung gibt den Verbraucherinnen und Verbrauchern genaue Informationen über die Herkunft der Produkte und ihre ökologischen Auswirkungen.

Gesellschaftliche Teilhabe ist ein Grundpfeiler des sozialen Zusammenlebens in der Vision der Zukunftswerkstatt. Offene und wissenschaftsbasierte Kommunikationsprozesse ermöglichen den Bürgerinnen und Bürgern eine faire Meinungsbildung und bieten Raum für konstruktive Kontroversen und gemeinschaftliche Lösungen. Öffentliche Foren, regelmäßige Bürgerumfragen und digitale Beteiligungsmöglichkeiten schaffen ein Umfeld, in dem alle Menschen gehört werden und aktiv an Entscheidungen teilhaben können.

Die Rolle der Städte: Innovatives Bauen und nachhaltige Mobilität

Städte und Gemeinden im Landkreis 2070 zeichnen sich durch energieeffiziente und innovative Bauweisen aus. Gebäude werden nicht nur mit nachhaltigen Materialien errichtet, sondern sind so gestaltet, dass sie erneuerbare Energie erzeugen und Wasser effizient nutzen. Dachflächen und Fassadenbegrünungen tragen zur Biodiversität bei und schaffen neue Lebensräume für Insekten und Vögel.

Ein nachhaltiges Mobilitätssystem bietet den Menschen verschiedene umweltfreundliche Transportmöglichkeiten, darunter emissionsfreie Nahverkehrsangebote und sichere Radwege. Der Autoverkehr wird in vielen Bereichen durch autonome, elektrische Fahrzeuge ersetzt, die im Car-Sharing genutzt werden können. Der öffentliche Nahverkehr ist sowohl in Städten als auch in ländlichen Gebieten stark ausgebaut und bietet eine praktische und klimafreundliche Alternative zum Individualverkehr.

Beteiligung und Gerechtigkeit als Voraussetzungen für den Wandel

Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Zukunftswerkstatt war klar: Eine Landwende kann nur gelingen, wenn sie auf breiter gesellschaftlicher Basis getragen wird. Demokratische Beteiligungsprozesse und soziale Gerechtigkeit sind Grundpfeiler dieser Vision.

Menschen müssen die Möglichkeit haben, an Entscheidungsprozessen teilzunehmen und ihre Stimme einzubringen. Dies gilt nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner des Landkreises, sondern auch für Menschen, die von außen Impulse und Ideen für eine gerechtere Landnutzung einbringen können.

Die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt wurden in einer Graphic Novel und einem Film festgehalten, die der Öffentlichkeit erstmals am 15. Oktober 2024 in Berlin vorgestellt wurden. Die Graphic Novel illustriert den gesamten Diskussionsprozess und die gemeinsame Vision der jungen Erwachsenen. Auch der Film dokumentiert den Visioning-Prozess und lässt die Teilnehmenden ihre Motivation und Gedanken zur „Landwende“ selbst schildern. Beide Formate sind auf der Website der Leopoldina frei verfügbar und bieten eine leicht zugängliche Einführung in das Thema und die Vision der Zukunftswerkstatt.

Eine neue Perspektive zur Landnutzung

Die Vision der Zukunftswerkstatt „Landwende: Wie wollen wir leben?“ zeigt, dass eine nachhaltige und gerechte Landnutzung möglich ist. Sie erfordert allerdings einen grundlegenden Wandel in unserer Gesellschaft und eine neue Perspektive auf das Verhältnis von Mensch und Natur. Land ist eine endliche Ressource, und wie wir sie nutzen, bestimmt letztlich, wie lebenswert die Erde für zukünftige Generationen sein wird. Nur durch den Erhalt der biologischen Vielfalt, den Schutz des Klimas und eine gerechte Verteilung der Ressourcen können wir sicherstellen, dass auch kommende Generationen in einer gesunden und lebenswerten Umwelt leben können.

Die Landwende ist eine Herausforderung, die weit über die Landwirtschaft hinausgeht. Sie betrifft alle Bereiche des Lebens – von der Bildung über die Stadtplanung bis hin zur Mobilität. Die jungen Menschen der Zukunftswerkstatt haben eine Vision entwickelt, die zeigt, dass ein anderer Umgang mit der Ressource Land möglich ist. Diese Vision kann als Anstoß dienen, neue Wege zu gehen und gemeinsam eine Zukunft zu gestalten, in der Mensch und Natur in Einklang miteinander leben.

Weitere Informationen zur Zukunftswerkstatt „Landwende“ finden Sie auf der offiziellen Seite der Leopoldina. Dort können Sie auch die Graphic Novel (PDF) herunterladen und das Video zum Visioning-Prozess anschauen.

Verfasst von Redaktion

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