Beitrag vom 19. Dezember 2024

Kommt Ostdeutschland besser durch die Krise? IWH sieht Zweiteilung der Wirtschaft bei Konjunktur

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Kommt Ostdeutschland besser durch die Krise? IWH sieht Zweiteilung der Wirtschaft bei Konjunktur © Rinson Chory/Unsplash

Die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland zeichnet ein ambivalentes Bild: Während einige Branchen kriseln, zeigen sich andere robust und wachstumsstark. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zweiteilung der Wirtschaft“ und beleuchtet die unterschiedlichen Entwicklungen in Industrie und Dienstleistungssektor. Was bedeutet das für die Konjunktur insgesamt – und welche Perspektiven ergeben sich daraus?

Industrie unter Druck, Dienstleistungen im Aufwind

Die industrielle Produktion in Deutschland steht seit einiger Zeit unter erheblichen Belastungen. Hohe Energiekosten, der zunehmende Wettbewerb durch ausländische Anbieter und strukturelle Anpassungen setzen den Unternehmen zu. Laut Oliver Holtemöller, Konjunkturexperte am IWH, verzeichnet die Industrie insgesamt eine schwache Entwicklung. Gleichzeitig zeigt sich der Dienstleistungssektor als starker Kontrastpunkt:

„Wirklich schlecht läuft es insgesamt in der Industrie, aber die Dienstleistungsbereiche laufen besser. Dort haben wir sogar einen Aufbau von Arbeitsplätzen“.

Der Dienstleistungssektor, getrieben von Digitalisierung und steigender Nachfrage, konnte in vielen Bereichen stabil bleiben oder sogar zulegen. Besonders profitiert haben Branchen, die Unternehmen bei der Optimierung ihrer Geschäftsprozesse oder bei der Digitalisierung unterstützen. Diese Entwicklungen tragen wesentlich dazu bei, dass der allgemeine Eindruck eines flächendeckenden wirtschaftlichen Abschwungs relativiert werden muss.

Positive Signale bei den Reallöhnen

Trotz Inflation und steigender Energiepreise sind die Reallöhne in Deutschland höher als vor der Krise. Holtemöller erläutert:

„Wir haben mit dem Energiepreisanstieg und der hohen Inflation eine Belastung der Kaufkraft erlebt. Doch diese Entwicklung ist mittlerweile ausgeglichen.“

Tatsächlich verfügen die Haushalte über mehr Einkommen – eine erfreuliche Nachricht, die das Potenzial für wirtschaftlichen Aufschwung birgt. Dennoch zeigt sich Zurückhaltung im privaten Konsum. Viele Menschen legen ihr Geld lieber auf die hohe Kante, anstatt es auszugeben. Diese Zurückhaltung hängt stark mit der allgemeinen Unsicherheit zusammen, die vor allem durch Stellenabbau in der Industrie verstärkt wird. Doch es gibt auch Lichtblicke: Sinkende Zinsen könnten den privaten Konsum ankurbeln und insbesondere der Baubranche einen Schub verleihen.

Ostdeutschland: Stabiler durch die Krise?

Im ostdeutschen Raum zeigt sich eine gewisse Resilienz. Investitionen und innovative Projekte tragen zur wirtschaftlichen Stabilität bei. Ein wesentlicher Grund für diese Stabilität liegt in der unterschiedlichen Struktur der ostdeutschen Wirtschaft. Viele Unternehmen haben sich auf Nischen spezialisiert oder setzen auf innovative Ansätze, um den Herausforderungen zu begegnen. Dadurch wird eine ausgewogenere Entwicklung zwischen Industrie und Dienstleistungen möglich.

„Das ist vielleicht die wichtigste gute Nachricht inmitten der Krise“, sagt Holtemöller.

Langsame Erholung in Sicht

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland bleibt allerdings herausfordernd. Das Bruttoinlandsprodukt wird 2024 voraussichtlich um 0,1 % sinken, bevor eine moderate Erholung in den Folgejahren einsetzt. Getragen wird diese vor allem vom privaten Verbrauch, der durch steigende Reallöhne unterstützt wird. Auch die Konjunktur in den europäischen Nachbarländern und verbesserte Finanzierungsbedingungen dürften positiv auf die deutsche Wirtschaft wirken.

Allerdings bleiben strukturelle Hemmnisse bestehen. Die Dekarbonisierung, Digitalisierung und der demografische Wandel stellen langfristige Herausforderungen dar. Zudem erschweren geopolitische Unsicherheiten und die Konkurrenz aus China die Lage für energieintensive Branchen.

Politische Weichenstellungen notwendig

Angesichts dieser Entwicklungen ist die Rolle der Wirtschaftspolitik entscheidend. Um langfristig Wachstumspotenziale zu sichern, müssen Hindernisse wie übermäßige Bürokratie und regulatorische Hürden abgebaut werden. Gleichzeitig sollten Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung intensiviert werden. Diese Maßnahmen sind notwendig, um die Produktivität zu steigern und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten.

Auch die Bundesregierung hat in ihrem „Wachstumsprogramm“ Maßnahmen zur Stärkung der Rahmenbedingungen angekündigt. Doch viele dieser Ansätze müssen noch konkretisiert oder umgesetzt werden, was die Wirkung der Initiative derzeit begrenzt.

Fazit: Chancen in der Krise

Die wirtschaftliche Zweiteilung in Deutschland bietet sowohl Herausforderungen als auch Chancen. Während die Industrie mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, zeigt der Dienstleistungssektor, dass Wachstum auch in Krisenzeiten möglich ist. Ostdeutschland könnte aufgrund seiner spezifischen Struktur eine Vorbildfunktion übernehmen und den Weg für innovative Lösungen aufzeigen.

Die Zukunft wird maßgeblich davon abhängen, wie schnell strukturelle Anpassungen gelingen und ob die Politik die richtigen Weichenstellungen vornimmt. In jedem Fall bleibt festzuhalten: Die deutsche Wirtschaft hat die Potenziale, die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen – und neue Wachstumsimpulse zu setzen.

Weiterführende Informationen finden sie auf den Seiten des IWH: