Beitrag vom 18. März 2025

Sozial-ökologische Energiewende: Wissenschaftsakademien zeigen Handlungsfelder auf

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Sozial-ökologische Energiewende: Wissenschaftsakademien zeigen Handlungsfelder auf © Julien Moreau/Unsplash

Die Wärmewende ist eine der zentralen Herausforderungen der Energiewende – doch der Gebäudebereich bleibt in Deutschland bislang ein Sorgenkind. Trotz ambitionierter Klimaziele und steigender CO2-Preise konnten die Treibhausgasemissionen in diesem Sektor auch 2024 kaum gesenkt werden. Eine neue Analyse der Wissenschaftsakademien zeigt nun zentrale Handlungsfelder auf, um die Wärmewende sozialverträglich und ökologisch nachhaltig zu gestalten. Besonders im Fokus: die energetische Sanierung von Worst Performing Buildings, die Verbesserung der Datenlage und die soziale Abfederung von Maßnahmen.

Warum die Wärmewende stockt

Rund 40 Prozent der in Deutschland entstehenden CO2-Emissionen sind auf den Gebäudebereich zurückzuführen. Der Anteil der sanierten Gebäude steigt jedoch seit Jahren nur langsam – die Sanierungsrate liegt weiterhin bei etwa einem Prozent pro Jahr. Die Folge: Ein Großteil der Immobilien ist energetisch veraltet und trägt massiv zum hohen Energieverbrauch bei.

Die gemeinsame Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) von acatech, der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften hat deshalb in neuen Publikationen zentrale Handlungsfelder identifiziert. Die wichtigsten Maßnahmen: eine gezielte Sanierung besonders ineffizienter Gebäude, bessere Daten zur Gebäudesituation in Deutschland und eine sozial verträgliche Umsetzung der Maßnahmen.

Worst Performing Buildings als Schlüssel zur Wärme- und Energiewende

Ein entscheidender Hebel für eine erfolgreiche Wärmewende ist die Sanierung der sogenannten Worst Performing Buildings. Diese Gebäude gehören zu den größten CO2-Verursachern, da sie kaum oder gar nicht energetisch optimiert sind. Die Wissenschaftsakademien schlagen deshalb vor, diese Gebäude gezielt auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung umzustellen.

„Als Anreiz für die Sanierung von Worst Performing Buildings wird voraussichtlich ein Instrumentenmix nötig sein, der neben dem CO2-Preis auch auf stärker fokussierte und erhöhte Fördermittel setzt“, erklärt Andreas Wagner vom Karlsruher Institut für Technologie, einer der leitenden Wissenschaftler der Initiative.

Neben finanziellen Anreizen könnten auch ordnungsrechtliche Vorgaben eine Rolle spielen, sofern sie mit sinnvollen sozialen Begleitmaßnahmen kombiniert werden.

Datenlücken erschweren politische Maßnahmen

Ein weiteres zentrales Problem der Wärmewende: die unzureichende Datenlage. Der deutsche Gebäudebestand ist äußerst heterogen, und detaillierte Informationen zu Energieeffizienz, Sanierungsbedarf und Nutzung sind oft nicht vorhanden. Dies erschwert die Entwicklung gezielter politischer Maßnahmen.

Eine mögliche Lösung könnte in der Verbesserung von Energieausweisen liegen. Die Wissenschaftsakademien empfehlen, deren Qualität zu erhöhen und die Informationen in eine zentrale, öffentlich zugängliche Datenbank einzupflegen. So könnten sowohl politische Entscheidungsträger als auch Immobilienbesitzer und Mieter bessere Entscheidungen zur energetischen Sanierung treffen.

Soziale Gerechtigkeit als Erfolgsfaktor

Die Wärmewende kann nur gelingen, wenn sie nicht nur ökologisch, sondern auch sozial nachhaltig gestaltet wird. Viele Haushalte, insbesondere vulnerable Gruppen, stehen vor einem Dilemma: Die Kosten für eine Sanierung sind oft nicht tragbar, doch gleichzeitig steigen durch den CO2-Preis und steigende Energiekosten die Wohnkosten.

„Damit die Wärmewende nicht zu einer sozialen Belastung wird, müssen vulnerable Gruppen verstärkt geschützt werden“, betont Melanie Jaeger-Erben von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg.

Die Lösung liegt in einer Kombination aus finanziellen Entlastungen, Beratungsangeboten und niedrigschwelligen Beteiligungsmöglichkeiten, die es Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, aktiv an der Wärmewende mitzuwirken.

Die Rolle der Wissenschaftsakademien in der Energiewende

Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften unterstützen Politik und Gesellschaft durch wissenschaftsbasierte Empfehlungen zu Zukunftsfragen. Im Rahmen der Initiative „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS) erarbeiten über 160 Fachleute aus Wissenschaft und Forschung praxisnahe Handlungsoptionen für eine sichere, bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung.

Die Leopoldina selbst ist die älteste dauerhaft existierende naturwissenschaftlich-medizinische Akademie der Welt. Sie wurde 1652 gegründet und zählt heute rund 1.700 Mitglieder aus nahezu allen Wissenschaftsbereichen. Seit 2008 trägt sie den Status der Nationalen Akademie der Wissenschaften Deutschlands und hat damit zwei besondere Aufgaben: die Vertretung der deutschen Wissenschaft im Ausland sowie die wissenschaftsbasierte Beratung von Politik und Öffentlichkeit.

Als unabhängige Institution setzt sich die Leopoldina für eine wissensbasierte Entscheidungsfindung ein und trägt zur Förderung einer aufgeklärten und zukunftsorientierten Gesellschaft bei. Im interdisziplinären Austausch überschreitet sie thematische, fachliche und kulturelle Grenzen, um innovative und nachhaltige Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln.

Wärmewende erfordert entschlossenes Handeln

Die neue Analyse der Wissenschaftsakademien zeigt: Die Wärmewende ist möglich, aber sie erfordert gezieltes, entschlossenes und sozial abgefedertes Handeln. Die Sanierung ineffizienter Gebäude, die Verbesserung der Datenlage und die Berücksichtigung sozialer Aspekte sind entscheidende Stellschrauben, um den Gebäudebereich auf Klimakurs zu bringen. Die Wissenschaft liefert die Grundlagen – nun liegt es an der Politik, tragfähige Rahmenbedingungen zu schaffen und die Wärmewende aktiv voranzutreiben.