Beitrag vom 19. September 2024
Innovation der MLU Halle: Forschende entwickeln Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus
Forschende der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) haben ein innovatives Gel entwickelt, das Lithium-Ionen-Akkus sicherer und leistungsfähiger machen könnte. Das Gel verhindert das Auslaufen der entzündlichen Elektrolytflüssigkeit und erhöht gleichzeitig die Lebensdauer und Effizienz der Akkus. Erste Labortests bestätigen das Potenzial dieser Technologie. Die Ergebnisse wurden im Journal „Advanced Functional Materials“ veröffentlicht.
Lithium-Ionen-Akkus sind aus unserem modernen Alltag kaum mehr wegzudenken. Ob in Smartphones, Laptops, Elektroautos oder sogar in der Luftfahrt – diese leistungsstarken Batterien treiben Innovationen und Fortschritt voran. Doch trotz ihrer hohen Effizienz bergen Lithium-Ionen-Batterien auch Risiken, insbesondere aufgrund der in ihnen enthaltenen Elektrolytflüssigkeiten. Diese sind leicht entzündlich und können bei Beschädigungen zu Bränden oder Explosionen führen. Um diese Sicherheitsprobleme zu beheben und gleichzeitig die Leistung zu verbessern, haben Chemikerinnen und Chemiker der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) eine innovative Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus entwickelt. Diese bahnbrechende Technologie könnte die Akkus revolutionieren.
Das Sicherheitsrisiko von Elektrolytflüssigkeiten
Der Hauptgrund für die Sicherheitsbedenken bei herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien liegt in den verwendeten flüssigen Elektrolyten. Diese Flüssigkeiten transportieren Ionen zwischen den Elektroden und sind für die Funktion der Batterien unerlässlich. Jedoch besteht die Gefahr, dass sie auslaufen, besonders wenn die Batterie mechanisch beschädigt wird. Diese auslaufenden Elektrolyte sind leicht entzündlich und können sich bei Kontakt mit Luft entzünden, was zu gefährlichen Situationen führt.
„Die Herausforderung besteht darin, dass die Flüssigkeiten zwar eine hohe Leitfähigkeit aufweisen, aber auch anfällig für Instabilität sind“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Binder, Leiter der Forschungsgruppe für Makromolekulare Chemie an der MLU. Hier setzt die neue Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus an. Das von den Forschenden entwickelte Polymer bindet die Elektrolytflüssigkeit und verhindert so das Risiko von Lecks, während die Ionen weiterhin ungehindert zwischen den Elektroden zirkulieren können.
Gel als neue Lösung: Mehr Sicherheit und Leistung
Die Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus kombiniert die hohe Leitfähigkeit von Flüssigkeiten mit der thermischen Stabilität und Robustheit von Polymeren. Diese bahnbrechende Entwicklung bietet nicht nur mehr Sicherheit, sondern auch eine verbesserte Leistungsfähigkeit und Lebensdauer der Akkus. Der Ansatz ist besonders innovativ, da er den bisher flüssigen Elektrolyten eine neue Form gibt, ohne ihre Funktionalität einzuschränken.
„Wir haben ein Polymer entwickelt, das die Batteriezelle füllt und in dem das Elektrolyt gebunden ist. Gleichzeitig bleiben die Ionen mobil, sodass die Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird“.
Dr. Anja Marinow, Chemikerin an der MLU und Mitentwicklerin der Gelfüllung
Gelfüllungen: Technisches Neuland für Lithium-Ionen-Batterien
Obwohl Gel-Batterien keine ganz neue Technologie sind – sie werden beispielsweise bereits in Motorrädern als Starterbatterien verwendet –, ist die Kombination aus Gelfüllungen und Lithium-Ionen-Technologie technisches Neuland.
Die größte Herausforderung bestand darin, eine Lösung zu finden, die die positiven Eigenschaften der Flüssigelektrolyte beibehält und gleichzeitig eine stabilisierende Schicht an den Elektroden erzeugt, die für die Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit der Batterie entscheidend ist.
In herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus bildet sich diese Schicht beim ersten Ladevorgang automatisch, da die flüssigen Elektrolyte in Kontakt mit den Elektroden treten. Bei Gel-Elektrolyten ist dies jedoch nicht so einfach, da das Gel eine festere Struktur aufweist. Um dieses Problem zu lösen, haben die Forschenden an der MLU ein spezielles Ionen-Gerüst in die Molekülketten des Polymers eingebunden. Dadurch kann sich die stabilisierende Schicht auch bei Gel-Elektrolyten bilden, was die Lebensdauer und die Effizienz der Batterien deutlich erhöht.
Verbesserte Stabilität und höhere Spannung
Ein weiterer Vorteil der neuen Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus ist ihre hohe Stabilität bei höheren Spannungen. Während herkömmliche Elektrolyte ab einer Spannung von etwa 3,6 Volt instabil werden, zeigen die gelartigen Elektrolyte der MLU-Forschenden eine bemerkenswerte Stabilität bei Spannungen über 5 Volt. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für den Einsatz in leistungsstarken Geräten und Anwendungen, bei denen eine hohe Energiedichte erforderlich ist.
„Unsere gelartigen Elektrolyte sind auch bei über fünf Volt stabil“, betont Wolfgang Binder. Diese hohe Spannungsstabilität könnte dazu beitragen, die Kapazität von Lithium-Ionen-Batterien weiter zu steigern und ihre Einsatzmöglichkeiten noch weiter auszubauen.
Nachhaltigkeit und Recycling
Neben der Verbesserung von Sicherheit und Leistung steht auch die Nachhaltigkeit im Fokus der neuen Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus. Die Forschenden haben die Gele so entwickelt, dass sie sich am Ende der Lebensdauer der Batterie einfach recyceln lassen. Dies ist ein wichtiger Aspekt, da die Entsorgung von Batterien ein wachsendes Umweltproblem darstellt. Mit der neuen Gel-Technologie könnten defekte oder verbrauchte Batterien einfacher aufbereitet und wiederverwendet werden.
„Unser Ziel ist es, eine Lösung zu finden, die sowohl sicher als auch nachhaltig ist“, erklärt Anja Marinow. „Die Gele lassen sich nach einem Defekt oder am Lebensende des Akkus relativ unkompliziert recyceln.“
Damit könnte diese Technologie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft leisten, in der Ressourcen effizient genutzt und Abfälle minimiert werden.
Der nächste Schritt: Langzeitstudien und industrielle Anwendung
Obwohl die ersten Laborergebnisse vielversprechend sind, sind noch umfangreiche Langzeitstudien notwendig, bevor die Gelfüllungen für Lithium-Ionen-Akkus im industriellen Maßstab eingesetzt werden können. Diese Studien sollen sicherstellen, dass die Akkus unter realen Bedingungen ebenso zuverlässig und langlebig sind wie in den bisherigen Tests.
Die Forschungsarbeiten zur Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus fanden im Rahmen des Projekts BAT4EVER statt, das von der Europäischen Kommission im Rahmen des Horizon-2020-Programms gefördert wurde. Beteiligt waren zahlreiche Partner aus verschiedenen Ländern, darunter Deutschland, Belgien, Luxemburg, Italien, Spanien und die Türkei. Die Forschungen sollen im European Center for Just Transition Research and Impact-Driven Transfer (JTC) fortgeführt werden, das an der MLU im Aufbau ist. Dieses Zentrum soll langfristig Lösungen für den Strukturwandel in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus entwickeln.
Die Entwicklung einer Gelfüllung für Lithium-Ionen-Akkus durch die MLU-Forschenden markiert einen bedeutenden Fortschritt in der Batterietechnologie. Diese neue Lösung könnte nicht nur die Sicherheit von Lithium-Ionen-Batterien erhöhen, sondern auch ihre Leistungsfähigkeit und Lebensdauer verbessern.
Dank ihrer hohen Spannungsstabilität und der Möglichkeit zum Recycling bietet die Gel-Technologie zudem vielversprechende Ansätze für eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob sich diese Technologie auf dem Markt etablieren und die Zukunft der Lithium-Ionen-Batterien nachhaltig prägen kann.
Weitere Details finden Sie in der offiziellen Pressemitteilung bzw. auf den Seiten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.